Akif Özcelik kam vor zwei Jahren aus der Türkei ans MGM und besucht nun die Kursstufe 11. Er ist einer von 56 frisch gekürten Schüler-Stipendiaten des Landes Baden-Württemberg. Am 14.10. 25 wurde er im Neuen Schloss in Stuttgart offiziell in das Programm „Talent im Land“ aufgenommen.
Wir gratulieren Akif ganz herzlich zu diesem Erfolg! Nachdem die BZ schon über ihn berichtet hat (Link s. unten), hat Akif uns nun ein exklusives Interview gegeben:

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich für das „Talent-im-Land“-Stipendium zu bewerben?

Ein Freund meines Vaters hat uns das zuerst erzählt. Sein Sohn hatte sich auch dort beworben, und er hat das Stipendium bekommen. Er wusste, dass ich mich für technische Dinge interessiere und mich da richtig engagiere. Er hat mich ermutigt, mich ebenfalls zu bewerben, und deshalb habe ich es versucht. Aber man kann dieses Stipendium auch mit ganz anderen Schwerpunkten oder Interessen bekommen.
Wir haben zum Beispiel eine Freundin, die Lieder schreibt. Sie macht Musik und arbeitet jetzt in einem Studio am Bodensee. Oder ein anderer Freund, der im Bereich Fitness unterwegs ist. Er hat seine eigene Instagram-Seite und versucht nun, seine eigene Kleidungsmarke zu kreieren und zu verkaufen. Deswegen finde ich es schön, weil es so viele unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Talenten gibt. Und dieses Programm gibt uns einen Rahmen, in dem wir miteinander in Kontakt kommen und uns austauschen können.

Wie lief das Bewerbungsverfahren ab?

Zuerst bewirbt man sich mit einem Bogen, in dem man Namen, Familienverhältnisse, Schule oder Arbeitsstelle usw. angeben muss. Als nichtdeutscher Bürger muss man auch angeben, wie lange man schon in Deutschland lebt. Auch über die finanziellen Verhältnisse in der Familie muss man Auskunft geben und darüber, ob z. B. Geschwister ebenfalls Stipendien haben. Außerdem brauchte ich ein Gutachten von einem Lehrer; das hat mir Herr Höster geschrieben.
Danach, im zweiten Schritt, schreibt man einen Essay über sein Leben – also, wie es von Anfang bis heute verlaufen ist – und darüber, was man später beruflich machen will. Das ist wie ein Motivationsschreiben, würde ich sagen.
Der dritte und letzte Schritt ist ein Termin in Stuttgart. Da geht es um soziale Kompetenz: Man macht ein paar Teamspiele mit anderen Bewerber*innen und führt auch ein Einzelgespräch, in dem man etwas über sich, seine Interessen und Pläne erklärt. Nach ungefähr einem Monat bekommt man eine E-Mail, ob man es geschafft hat oder nicht.

Und du hast es tatsächlich geschafft – was war deine erste Reaktion?

Ich habe die E-Mail auf meinem Weg zur Theater-AG bekommen. Ich saß gerade im Bus, als die E-Mail eintraf: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben das Stipendium bekommen.“ Zuerst habe ich meine Familie über unsere WhatsApp-Gruppe benachrichtigt. Ich habe ihnen die Mail weitergeleitet und geschrieben: „Ich habe es geschafft!“ Das war wirklich sehr schön.

Wie haben deine Klassenkameraden reagiert, als sie erfahren haben, dass du dieses Stipendium bekommen hast?

Ich habe es gar nicht so vielen Leuten erzählt. Nur meiner Familie und meinen Cousins. Sie haben sich sehr für mich gefreut. Und die Freunde, denen ich es dann auch erzählt habe, waren ebenfalls sehr glücklich für mich, dass ich an einem solchen Programm teilnehmen kann.

Was bedeutet das Stipendium für dich?

Für mich ist natürlich das Geld wichtig, denn ich mache viele Projekte, die mich interessieren, z. B. Programmieren und technische Geräte bauen. Dafür muss ich unter anderem Bauteile kaufen. Als Erstes habe ich mir mit meinem Geld einen 3-D-Drucker gekauft. Frau Lefèvre hat mich beim Aussuchen ein bisschen beraten. Ich mache schon 3-D-Designs und ich mag auch CAD (Computer Aided Design); dafür ist der Drucker sehr nützlich. Außerdem will ich noch ein paar Motoren kaufen. Denn auch die Formel 1 interessiert mich sehr, und ich möchte ein kleines Formel-1-Auto bauen – also ein Modellauto, das man mit einem Controller steuern kann. Dafür brauche ich Bauteile. Wahrscheinlich werde ich einen großen Teil meines Stipendiums dafür verwenden.
Als Zweites finde ich es toll, dass es in diesem Programm Angebote zu Seminaren, Exkursionen und Stipendiatentreffen in ganz Baden-Württemberg gibt, bei denen man sich mit anderen Leuten, die in ihrem Leben ebenfalls sehr engagiert sind, treffen kann. Das ist auch sehr schön, denn das sind sehr interessante Leute.

Jetzt nochmal einen großen Schritt zurück: Du stammst aus der Türkei und bist erst vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Du hattest bestimmt einige Hürden zu überwinden, darunter vor allem die sprachliche: Wie hast du Deutsch gelernt? Hattest du schon Vorkenntnisse?

In der Türkei habe ich versucht, mir selbst ein bisschen Deutsch beizubringen. Also, ich habe versucht, Deutsch zu lernen, aber es war nicht genug für die Schule in Deutschland. Als ich nach Deutschland gekommen bin, stand ich noch ganz am Anfang. Hier habe ich zuerst die VKL-Klasse gemacht, also diese Vorbereitungsklasse, und den Deutschkurs mit Frau Stephanek besucht.

Und das hat dir geholfen? Hast du das Gefühl gehabt, dass du dort gut unterstützt worden bist?

Ja, sie war eine sehr gute Lehrerin. Sie hat uns Deutsch sehr gut vermittelt. Also, das erste Jahr habe ich mit Frau Stephanek Deutsch gelernt. Im Jahr darauf, in der 10. Klasse, war ich dann alleine. Wir hatten keine VKL mehr. Dann habe ich versucht, mein Deutsch zu Hause grammatisch zu verbessern. Und ich habe jeden Tag in der Schule mit den Leuten und mit Lehrern auf Deutsch geredet. Das hat mir auch geholfen, selbst flüssiger zu sprechen und mehr zu verstehen.

Welche Tipps würdest du jüngeren Schüler*innen geben, die in einer ähnlichen Situation sind wie du: neu im Land, neu in einem anderen Schulsystem, neu in der Sprache – was tun?

Am Anfang habe ich mit einem Freund eigentlich die ganze Zeit auf Englisch geredet, leider. Zuerst auf Englisch, weil ich überhaupt kein Deutsch konnte. Und als ich besser Deutsch gelernt hatte, haben wir trotzdem mit Englisch weitergemacht. Wenn ich mit ihm in der 9. und 10. Klasse auf Deutsch geredet hätte, wäre mein Deutschniveau heute zwei- oder dreimal besser als jetzt.
Mein Tipp wäre also: Versucht, so viel wie möglich auf Deutsch zu reden. Auch deutsche Musik zu hören und deutsche Filme oder Serien auf Deutsch zu schauen, hilft weiter. Außerdem habe ich ein paar Bücher auf Deutsch gekauft, die ich bereits auf Türkisch zu Hause hatte. Die habe ich dann parallel gelesen.

Hast du Ideen, wie die Schule Jugendliche wie dich, die ohne oder mit wenig Sprachkenntnissen hier ankommen, noch besser unterstützen könnte?

Vor allem bei Klassenarbeiten und Klausuren: Ich bräuchte eigentlich den Text oder die Aufgabe in einer Sprache, die ich verstehen kann, also Türkisch oder Englisch. Zum Beispiel in meiner Mathematik-Klausur letzte Woche: Ich habe eine Aufgabe nicht genau verstanden und 20 Minuten für diese Frage verwendet. Am Ende konnte ich sie nicht lösen. Danach habe ich die Lehrerin gefragt, was diese Frage genau bedeutet, und sie hat mir das nochmal erklärt – es wäre im Grunde einfach zu rechnen gewesen!

Jetzt noch ein Blick in die Kristallkugel: Wo bist du und was machst du in zehn Jahren?

In zehn Jahren? In den ersten zwei Jahren – also dieses Jahr und in der zwölften Klasse – mache ich mein Abitur. Danach möchte ich nicht direkt an die Universität gehen, sondern ein Jahr überbrücken, bis ich einen deutschen Pass bekomme. Denn es wird an der Uni vieles leichter, wenn ich auf dem Papier Deutscher bin. Danach gehe ich vier Jahre zur Universität. Ich will Ingenieurwissenschaften studieren. Nach dem Bachelor möchte ich ein zweijähriges Masterprogramm machen. Und dann, im zehnten Jahr, werde ich in mein Berufsleben einsteigen. Ich würde sehr gerne im Bereich Autoproduktion arbeiten: in der Formel 1 oder auch bei einem Autohersteller wie Mercedes, BMW oder Porsche.

Du hast ja schon recht genaue Vorstellungen von deiner Zukunft. Hast du das Gefühl, dass du schon jetzt in der Schule in diese Richtung gehen kannst?

Ja, meine derzeitigen Fächer und Kurse helfen. Ich habe Mathe- und Physik-LK, das sind die wichtigsten Fächer für ein Ingenieurstudium. Und auch Informatik, würde ich sagen, hilft mir, mich auf dieses Arbeitsfeld vorzubereiten.

Akif, vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Dorothea Schmidt.

 

Foto: K. Lefevre

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