In einer Zeit, in der der Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ abgetan, die hart erkämpfte Erinnerungskultur unseres Landes mit Forderungen einer erinnerungspolitischen Wende „um 180 Grad“ massiv angegriffen und die Existenz Israels infrage gestellt wird, sind die Schulen in besonderer Weise in der Verantwortung, das Gedenken an die Opfer der millionenfachen Ermordung der Juden wachzuhalten.

Daher organisiert die Geschichtsfachschaft des Markgräfler Gymnasiums schon seit geraumer Zeit jedes Jahr anlässlich des Holocaustgedenktags (27. Januar) einen Projekttag für alle 9. Klassen. In dieser Klassenstufe ist die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus auch im Bildungsplan verortet.

Nur wer begreift, was „konkret“ im eigenen Heimatort passierte, versteht „konkret“, wie sich Gewalt zunächst ankündigt und dann in eskalierender Form manifestiert. Dementsprechend beschäftigten sich zum diesjährigen Projekttag die Schülerinnen und Schüler des MGM mit den konkreten Schicksalen der Müllheimer Juden, deren materielle und physische Existenz durch den Novemberpogrom am 9./10. November 1938 in Müllheim zerstört wurde – genannt seien hier stellvertretend unsere jüdischen Mitbürgerinnen Ida Meier (Selbstverbrennung infolge des am 10. November 1938 erlittenen Traumas) und Rosa „Renle“ Wolff (geistige Umnachtung, später nach Auschwitz deportiert) aus der Badstraße, sowie Sophie Epstein und Berta Heim aus der Hauptstraße (beide unternahmen am 10. November 1938 Suizidversuche und überlebten nach dem Wegzug vermutlich in der Schweiz).

Darüber hinaus ging es aber auch um die lokale Vorgeschichte des Müllheimer Pogroms vom 9./10. November 1938: Woher kamen die überdurchschnittlichen NSDAP-Wahlergebnisse in Müllheim in den Reichstagswahlen von 1932? Was genau passierte bei der Müllheimer Bücherverbrennung am 17. Juni 1933? Auf welche Art und Weise wurden in Müllheim in den Jahren 1934/1935 jüdische Mitbürger und Nicht-Nazis denunziert?

Zuletzt wurde auch der Widerstand derjenigen Müllheimer thematisiert, die sich mit der NS-Politik nicht arrangieren konnten oder wollten: Eine Person, die am 23. März 1933 in Müllheim die Hakenkreuzflagge abriss und in Ortsarrest kam; der Musiklehrer und Gründer der Müllheimer Sängervereinigung, Albin Neininger, der einen jüdischen Jungen vor versammelter NSDAP-Lokalprominenz im Chor mitsingen ließ und strafversetzt wurde; Otto Weis, pensionierter Polizeibeamter, und der „Kreuz“-Wirt Gustav Oberst, die zwei verprügelten polnischen Zwangsarbeitern Mitgefühl und Verständnis zeigten, und zudem bezweifelten, dass der Krieg zu gewinnen war, was eine Zuchthausstrafe von 8 bzw. 14 Monaten zur Folge hatte.

Nicht zuletzt aus der verzweifelten Vergeblichkeit dieser mutigen Widerstandsakte ergibt sich eine weitere historische Erkenntnis: Nur wenn wir Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig und mit vereinten Kräften unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stärken, wird sie auch für nachfolgende Generationen intakt bleiben.

Die Geschichte-Fachschaft des Markgräfler Gymnasiums Müllheim

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